Bier als Kontaktsaft

Das Ecklokal war mal ein Trödler, mal ein Obst- und Gemüsegeschäft. Jetzt fungiert es als temporärer Treffpunkt von „Borsigpeople“, Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft des berühmten Kreisverkehrs in Dortmund-Mitte-Nord. Hier pocht das Herz der „Public Residence people“ mit ihren Aktionen, Informationen und Kuchenplatten. Heute wird zum Bier geladen. Saufen für Kunst, könnte man denken. Aber nur eine Flasche und Prost – und für die Kinder was anderes Süßlicheres. Und sie kommen aus ihren unansehnlichen Straßen, aus ihren hübsch angerichteten Zimmern und Wohnungen und zeigen sich als Nachbarschaft. Alles hier folgt der Dudenfamilie „unansehnlich“. Schöne Worte wie zernepft, fipsig, verbogen oder murkelig, oder aber zerfleddert, entstellt, schäbig oder ruiniert werden da aufgezählt, eine durchaus poetische Anheftung. Die Künstlerin hat ihr Anliegen in lila gehüllt, die Bierflaschen, sich selbst. Die große Nachfrage, das Interesse erstaunt den, der sich hier in seine sichere Klischee-Kampfjacke hüllt. Drei Mädchen zwischen 8 und 11 kündigen eine Performance an. Ihr Choreograph steht am Rand und gibt Anweisungen mit seinen Händen, seinem Körper. Es ist 14. Die Mädchen biegen sich mal nach links, mal nach vorn, machen unbeholfene Schritte nach vorn, nach hinten, heben ihre Arme, schauen auf ihren Dirigenten. Vierzig Sekunden spontane Kunstentwicklung in ihren zarten Anfängen. Da erzählt der Heiler, der mit seiner Sitar vor kurzem eine Malaktion begleitete, dass er noch Termine habe. Ich hole mir einen Kaffee von Kalles Bude gegenüber. Ein anderer ist als Pfleger tätig und will mit Kids Theater machen – wie er das früher getan habe. Joe kann singen und will singen und eine ältere Dame sagt: „Ich könnte Ihnen viel erzählen.“ Es droht eine Welle der Aktivitäten. Nehmt Euch in Acht, Borsigpeople!