Route der Wohnkultur

Es ist 11.oo Uhr vormittags. In den vielen Kiosken des Reviers langweilen sich die Betreiber bereits seit vier Stunden. Viele haben hinter ihrem Mini-Supermarkt eine Behelfsstube zum Verbringen von Zeit in wohnähnlicher Situation. Die Autobahnen sind um diese Zeit nicht ganz so verstopft, die Fußgängerzonen füllen sich, die Marktbetreiber denken schon an Feierabend, die Bahnhöfe vermelden „Normalbetrieb“, die Putzkolonnen in den Nachtclubs sind emsig dabei, die folgende Nacht vorzubereiten, der Postbote klingelt zweimal, UPS pappt Zettel an Haustüren, der Regen wird dünner.
Der Bus mit den Pressevertretern setzt sich in Bewegung.
Umfangreiche Erläuterungen der Reiseleitungen zu den verschiedenen Wohnformen, die ins Projekt einbezogen sind, führen uns in Siedlungen nach Dortmund-Lindenhorst, in den Norden, vorbei an der „Papageiensiedlung“, einem IBA-Projekt aus den 90ern, in den Westen der Stadt zu den Architektenhäusern im Leierweg. Dann nach Bochum-Hustadt. Erläuterungen zur Geschichte der Siedlungen, Geschichte und Moderne, Urbanität und Demografie, zum Wandel des Umfelds. Oft fällt der Begriff „einzigartig“. Das gehört wohl zum eingeübten Sprachgebrauch von Ruhr2010 wie das Wort „Metropole“.
Wir besichtigen eine dieser kleinen Wohnungen und schnallen uns Schutzfolien über die Schuhe. 40 Leute quetschen sich durch die Räume und lassen sich vom Mieter erzählen wie es war, wie es ist, wie es sein soll. Im Schlafzimmer ist die gesamte Wäsche, frisch gewaschen und gebügelt auf dem Bett auf Stapeln zwischengelagert. Es wird wohl ein neuer Kleiderschrank erwartet, könnte aber auch die Vorbereitung zur Auswanderung sein.

Im Dortmunder Norden Hagelregen. Es wird auf den Mut hingewiesen, so etwas wie die so genannte Papageiensiedlung zu planen und zu bauen. Alle schauen nach links und sehen eine Kleingartensiedlung. Große Lacher. Die Siedlung kommt erst noch, der Sprecher war zu schnell. So einfach geht Comedy.
Es regnet. Wir wandern durch eine Kleingartenanlage, wo das Mittagessen eingenommen wird. Pfefferpotthast oder Lauch-Suppe. Das Vereinslokal heißt „Porree-Bar“. Verteile Lacher. Wikipedia sagt zu Pfefferpotthast: „Für einen traditionellen Pfefferpotthast wird zuerst Rindfleisch in Schmalz kräftig angebraten und mit Zwiebeln in gleicher Menge sowie einigen Lorbeerblättern und Nelken weich geköchelt bis das Fleisch und die Zwiebeln in ihre Fasern zerfallen. Zum Schluss wird mit reichlich Pfeffer, evtl. einigen Kapern und Zitronensaft abgeschmeckt.

Im Sommer werden zu diesem Gericht Salzkartoffeln und Salat gegessen, im Winter werden dazu Gewürzgurken und Rote Bete serviert.“

Jeder Ort hat seine schönen Ecken. Wie oft höre ich: Kaum zu glauben, aber es gibt hier viele schöne Ecken, auch Gelsenkirchen hat seine schönen Stellen, auch Hagen und Bottrop. Hört sich an wie „Nüchtern ist er nicht zu ertragen, aber wenn er getrunken hat, ist er wirklich ein netter Kerl“ oder umgekehrt. Wie bei Brechts „Puntila“.
Nun stößt man bei der Wohnkultur-Tour tatsächlich auf Unerwartetes. Allein die vielen „Gartenstädte“ Siedlungen, die oftmals noch wirken wie eine kollektive Idee, wie ein gemeinsames Projekt der Mieter.

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